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ARBEITEN 4.0

Meinungsvielfalt in der Arbeitsgesellschaft

Die Kulturstudie „Wertewelten Arbeiten 4.0“ in der Arbeitsgesellschaft, die nextpractice gefördert durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Rahmen der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) durchgeführt hat, zeigt eine nicht vermutete Vielfalt und Gegensätzlichkeit auf. Unter den Erwerbspersonen in Deutschland haben sich 7 unterschiedliche Wertewelten herausgebildet, die teilweise gegensätzliche Vorstellungen davon haben, wie Arbeit sein sollte. Was für die einen das erstrebenswerte Erfolgskonzept ist, ist für andere das Bedrohungsszenario schlechthin.

Während die Führungskräfte in der Kulturstudie zu Führung bei aller Unterschiedlichkeit noch einen einheitlichen Werteraum erzeugten, zerfällt der Werteraum bei den Erwerbspersonen in 7 klar voneinander unterscheidbare Wertekorridore, die man aufgrund ihrer Unterschiedlichkeiten durchaus als verschiedene Wertewelten bezeichnen kann. Auffällig ist, dass sich diese unabhängig von beispielsweise ethnischer Herkunft, Einkommen, Geschlecht oder Alter herauskristallisieren. Sozio-demographische Merkmale spielen bei der Zugehörigkeit zu den Wertewelten also kaum eine Rolle.

Die Vorstellungen der jungen Generation unterscheiden sich nicht von denen der Älteren

Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis kann man getrost das Vorurteil begraben, dass die Generationen „Y“ oder auch „Z“ eine eigene Wertewelt bilden würden. Auch die jüngeren Erwerbspersonen finden sich nahezu in einer verhältnismäßig gleichen Verteilung wie andere Altersklassen in allen Wertewelten wieder. Flexibilisierung der Arbeitszeit, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Demokratisierung des Unternehmens, Diversity, Mitarbeiterbindung oder Work-Life-Blending sind also keine Moden, die unsere junge Generation mitbringt und Unternehmen vor neue Herausforderungen stellt, sondern eher Ausdruck von sich grundsätzlich wandelnden Bedürfnissen in unserer Arbeitsgesellschaft und einer zunehmenden Vielfalt.

Der radikale Wandel der Arbeitswelt mit Automatisierung, Flexibilisierung und Digitalisierung hat also auch zu tiefgreifenden Veränderungen im Erleben der Beteiligten und Betroffenen geführt. Die Studie zeigt: Während sich die Einen als Verlierer fühlen, sehen andere große Chancen auf sich zukommen. Aktuell empfindet allerdings nur jede fünfte Erwerbsperson ihre Arbeitssituation als nahezu ideal. Für knapp die Hälfte ist sie weit davon entfernt. Ein Großteil der Erwerbspersonen verbindet mit der heutigen Arbeitswelt überwiegend Druck und Stress. Der Blick in die Zukunft aber ist zum Teil optimistisch: Fast die Hälfte der Befragten erwartet, dass im Jahr 2030 die eigene Arbeitssituation nah an ihrem Idealbild liegen wird.

Etwa 28 Prozent der Erwerbspersonen sind dieser Wertewelt zuzuordnen. Ihnen geht es vor allem darum, in einer sicheren Gemeinschaft ohne materielle Sorgen leben zu können. Arbeit gehört dazu, wird jedoch teilweise als so raumgreifend empfunden, dass daneben kaum noch Platz für Anderes bleibt. Für diese Gruppe ist Planbarkeit sehr wichtig, Beschleunigung und zunehmenden Leistungsdruck empfinden sie dagegen als negativ. Vom Staat erwarten sie, dass er alle Menschen absichert, die ihren Beitrag zur Gesellschaft leisten.
Etwa 9 Prozent der Erwerbspersonen lassen sich dieser Wertewelt zuordnen. Für sie ist eine ideale Arbeitswelt durch gegenseitige Loyalität, Wertschätzung und Teilhabe in einer Solidargemeinschaft geprägt. Die Entwicklung der Gesellschaft empfinden sie teilweise als besorgniserregend. Sie haben das Gefühl, dass immer mehr Menschen durch das Raster fallen und keinen Platz in der Gesellschaft finden. Sie sehnen sich zurück nach einer Zeit, in der Unternehmen sich um das Wohl ihrer Mitarbeiter sorgten, es Arbeit für alle gab und man auch in schlechten Zeiten zusammenhielt.

Etwa 15 Prozent der Erwerbspersonen lassen sich dieser Wertewelt zuordnen. Ein Leben lang hart zu arbeiten, ist für sie selbstverständlich und sie glauben, dass jeder, der sich bei seiner Arbeit wirklich anstrengt, es auch zu etwas bringen kann. Sie merken jedoch auch, dass dies nicht mehr so einfach ist wie früher. Wer es geschafft hat, darf sich ruhig ein wenig Luxus gönnen. Sie erwarten von den Sozialpartnern, dass sie dafür sorgen, dass Deutschland weiterhin wirtschaftlich stark bleibt und Leistungsträger hier eine Heimat behalten.

Etwa 11 Prozent der Befragten lassen sich dieser Wertewelt zuordnen. Die Idealvorstellung von Arbeit ist für sie durch Verantwortung, Effizienz und Leistungsstreben gekennzeichnet. Die rasante Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft, unter anderem durch die Digitalisierung, empfindet man nicht als belastend, sondern als willkommene Herausforderung. Es ist an jeder und jedem Einzelnen, sich mit den neuen Herausforderungen zu arrangieren, beispielsweise durch lebenslanges Lernen. Man geht davon aus, dass die Rahmenbedingungen die oder den Einzelnen hinreichend unterstützen.

Etwa 10 Prozent der Befragten lassen sich dieser Wertewelt zuordnen. Sich selbst immer wieder neu zu erfinden und viele spannende Erfahrungen machen zu können zeichnet für sie eine ideale Arbeitssituation aus. Sie erleben sich als Teil eines Netzwerks Gleichgesinnter, auch über Deutschland hinaus. Selbstverwirklichung ist für sie kein Gegensatz zu Leistung und Effizienz. Von Gesellschaft und Arbeitgebern erwarten sie, dass sie die Menschen auf ihrem individuellen Weg unterstützen, beispielsweise durch Flexibilität von Arbeitsort und -zeit sowie umfassende Kinderbetreuung.

Etwa 14 Prozent der Befragten lassen sich dieser Wertewelt zuordnen. Arbeit wird von ihnen als ideal empfunden, wenn sie sich mit Familie, individueller Selbstverwirklichung und gesellschaftlicher Mitgestaltung vereinbaren lässt. Gleichzeitig erwarten sie von jeder und jedem Einzelnen ein gewisses Maß an eigenem Gestaltungswillen. Das Ziel einer Gesellschaft ist für sie, gemeinsam gute Bedingungen für alle zu schaffen. Die Wirtschafts- und Arbeitswelt soll sich dem Menschen anpassen und nicht umgekehrt. Sie sind nicht bereit, für materielle Sicherheit ihre Prinzipien aufzugeben.

Etwa 13 Prozent der Befragten lassen sich dieser Wertewelt zuordnen. Sie sehen die Erwerbsarbeit nicht als die einzig sinnstiftende Tätigkeit an. Vielmehr bemisst sich hier der Wert einer Tätigkeit für die Menschen an ihrem Beitrag zum Wohlergehen der Gesellschaft. Gemeinnützige Tätigkeiten erscheinen ihnen oftmals sinnvoller als eine Arbeit, die vor allem aus monetären Gründen ausgeübt wird. Vom Staat erwarten sie, dass er allen Bürgern ein lebenswertes Auskommen garantiert, unabhängig davon, welches Einkommen sie am Arbeitsmarkt erzielen.

Die Kultur isst die Strategie zum Frühstück –
wenn Bedürfnisse nicht berücksichtigt werden

Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind innerhalb von Unternehmen unterschiedliche Wertewelten mit verschiedenen und auch sehr gegensätzlichen Vorstellungen vertreten. Im Zuge des demografischen Wandels, einer zunehmenden Machtverlagerung hin zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit einem neuen Selbstbewusstsein, werden die unterschiedlichen Vorstellungen nach Entfaltung suchen und in der Zusammenarbeit Reibungsverluste erzeugen oder zu Konflikten führen. Vielfalt in Unternehmen wird die Zukunft sein und deshalb gilt es heute mehr als je zuvor, eine Unternehmenskultur mit einem tragfähigen gemeinsamen Identitätskern zu entwickeln, der die unterschiedlichen Wertvorstellungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berücksichtigt. Denn nur dann werden sich diese auf Dauer loyal und engagiert für das Unternehmen einsetzen und im kollaborativen Miteinander die notwendige Leistung entfalten und Innovationspotenziale heben. Managementguru Peter Drucker (1909 bis 2005) formulierte sehr früh die viel zitierte Aussage „Culture eats strategy for breakfast“. Heute scheint dieser Satz bedeutungsvoller denn je.